Von Gerhard Bahr
40 aktive Teilnehmer aus dem In- und Ausland übten am 20.11.10 realistische Einsatztechniken im praktischen Training
Am 20. November 2010 richtete Polizeitrainer in Deutschland e.V. (PiD) in WIESBADEN ein eintägiges taktisches Intensiv- Trainingsseminar aus. Es nahmen ca. 40 Spitzenausbilder der Länder, der Bundespolizei, des Bundeskriminalamtes (BKA), der Bundeswehr, des Zolls und der Justiz sowie von Sondereinheiten aus Österreich und der Schweiz teil. Das in deutscher Sprache durchgeführte Seminar diente der Vermittlung neuer und dem Ausbau klassischer taktischer Techniken bei schlechten Lichtverhältnissen, in unübersichtlichen Räumen und in schwierigen Einsatzlagen.
Das erfahrene PiD-Trainer- und Organisationsteam unter Leitung von Ecko Niebergall, Peter Schwartz, Luke Fall und Ralf Schmidt konnte sich bei Vorbereitung, Durchführung und Auswertung des Seminars auch auf Beratung und Expertise von Firmenvertretern stützen, die einen hohen Erfahrungshintergrund aus früherer amtlicher Tätigkeit bei Polizei oder Justiz beisteuerten. Ausbildungsräumlichkeit war ein zweistöckiges, unterkellertes Funktionsgebäude in Wiesbaden, das auf mehreren Ebenen Trainingsmöglichkeiten, sowohl in hohen Räumen mit großen, freien Flächen anbot, als auch beengte und schwierige Raumverhältnisse nachbilden ließ. Beispielsweise konnten enge Keller, unübersichtliche Gastronomieräume, verwinkelte Treppenhäuser, sowie Durchgänge und schmale Tunnels beübt werden. Diese realistischen Infrastrukturmöglichkeiten wurden an den Stationen mit unterschiedlichen Lichtverhältnissen variiert, bis hin zur kompletten Dunkelheit.
Der eintägige Seminarablauf folgte einer logischen Sequenz rotierender Stationen, die unterschiedliche taktische Lernziele bedienten. Ziel war es, die Gesamtgruppe von über 40 Teilnehmern und Teilnehmerinnen in drei Gruppen „Rot“, „Blau“ und „Gelb“ einzuteilen und in dieser Struktur wurden dann wechselnde Zweier- und Viererteams gebildet. Dieses Vorgehen stellte zwei Vorteile sicher: Erstens lernte sich die Gesamtgruppe besser kennen und zweitens diente es vor allem der Abbildung der taktischen Realität, dass sich in der täglichen Einsatzpraxis aufgrund wechselnder Lagen Vollzugsbeamte unterschiedlichster Dienststellen und Behörden rasch und professionell aufeinander einstellen müssen. Nur so können taktische Herausforderungen entschlossen und zügig gemeistert werden! Hohe Einsatzroutine und sicherer Auftritt sowie ausgezeichnete Kameradschaft und kollegialer Respekt aller Beteiligten, ausgedrückt durch das vertrauensvolle „DU“, stellten schnell eine gemeinsame Basis her, die Voraussetzung für einen reibungslosen Ausbildungsverlauf war.
Am Vormittag des Seminartages standen zwei praktische Stationen im Mittelpunkt:
Andreas Abeltshauser vermittelte taktisches Wissen und richtiges Vorgehen alleine und in 2er- Gruppen bei schlechten Lichtverhältnissen beim Eindringen in Räumlichkeiten, beim Bewegen in Gebäuden und beim Zugriff. Er präsentierte überzeugend seine Empfehlungen zur Auswahl moderner Lampen und vermittelte in praktischen Übungen das richtige Zusammenspiel von taktischer Lampe und der Dienstwaffe bei der Eigensicherung. Mehrfach löste der Referent Nachdenklichkeit aus, wenn er auf häufige Fehler und regelmäßige Unzulänglichkeiten im Vorfeld hinwies, z.B. auf die unzureichende Kontrolle der Einsatzfähigkeit von Batterien, das Mitführen einer nicht ausreichenden Zahl von lichttechnischen Einsatzmitteln, oder die Auswahl ungeeigneter oder veralteter taktischer Lampen: „Nur das Einfache und das Funktionsfähige zählen! Die Lampe ist auch tagsüber einsatzbereit mitzuführen! Ihr könnt Euch Fehler beim Einsatz nicht leisten!“, so seine Kernbotschaft. Ein Teilnehmer ergänzte dies mit dem Kommentar „Two is one, and one is none!“ und bestätigte so den Ausbilder mit der Empfehlung, sogar eine zweite Lampe stets als Reserve mitzuführen.
Manfred Grabinski, Trainingsexperte mit langjähriger Erfahrung im Justizvollzug, präsentierte schwierige Einsatzlagen mit Gewalttätern, die sich mit Messern oder anderen gefährlichen Gegenständen bewaffnet haben und die zum Einsatz gegen Menschen entschlossen sind. Auf seiner Übungsstation wurden räumlich beengte Verhältnisse, z.B. in Hafträumen, nachgebildet. Gelehrt und geübt wurde die rasche und professionelle Bildung eines 3-, besser aber 4-köpfigen Zugriffsteams, ausgerüstet mit mechanischen Distanzmitteln und Mitteln der körperlichen Einwirkung zur Entwaffnung, zum Beispiel mit dem Einsatzstock. Bewährt haben sich ca. 2 Meter lange solide Metallstangen mit einer abgerundeten Gabel („Spacer Bar“), die verletzungsvermeidend konstruiert sind. Manfred Grabinski: „Wichtig für den Erfolg des Zugriffs sind die klare Rollenverteilung des Eingreifteams, die eindeutige Festlegung des taktischen Führers der Gruppe und das Befolgen seiner Weisungen. Zur klaren Planung gehört danach die zügige und entschlossene Ausführung der Zugriffs- und Entwaffnungsaktion zur Beseitigung der gegenwärtigen Gefahrenlage.“ Der Stationsleiter wies mehrfach auf die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen zur Anwendung dieser Technik hin und er berichtete weiter, dass sich in seiner langjährigen Praxis hiermit keine schwerwiegenden Folgen sowohl zum Nachteil der Gewalttäter als auch der eingesetzten Beamten ergeben hätten. Den intensiv ausgeführten Übungsmaßnahmen des Vormittags schloss sich ein zünftiges, hessisches Mittagessen an, und die Möglichkeit für weitere vertiefende, kameradschaftliche Gespräche. Am Nachmittag wurde der PiD-Trainingsworkshop mit einer fordernden Stationsausbildung fortgesetzt, die realistische Techniken für den polizeilichen Einsatz abbildete. Das Ausbilderteam hatte mehrere Szenarien mit zahlreichen „Überraschungen“ vorbereitet. In diesen Stationen wurde teilweise alleine, mit Schwerpunkt aber in wechselnden 2er und 4er-Interventionsteams, der taktische Einsatz mit Dienstwaffen trainiert, die mit modernen Lampen und Laser- Licht-Modulen ausgerüstet waren:
- Szenario 1
- Szenario 2
- Szenario 3
Zum Vergleich die technischen und ballistischen Angaben: … siehe Tabelle unten.
Die HK MP 5 bietet in besonders gefährlichen Lagen im Vergleich zur Pistole gleichen Kalibers drei Vorteile:
- mindestens 50% höhere Feuerkraft wegen der größeren Magazinkapazität,
- 30% mehr Energie wegen längerer Rohrlänge und damit höherer Geschossgeschwindigkeit und
- deutlich höhere Treffsicherheit wegen der längeren Visierlinie und der festen Fixierung der Dienstwaffe in der Schulter.
Beispiele für mögliche Täterwaffen
Typ | Kaliber | Patronen-Zahl | Geschoss-Gewicht (g) | Mündungs-Energie (Joule) |
---|---|---|---|---|
Pistole | .45 ACP | 7-15 | 14,95 g | 549 J |
Revolver | .357 Magnum | 6-8 | 10,2 g | 1.010 J |
Selbstlade-Gewehr | .223 Rem. | 20-30 | 3,6 g | 1.764 J |
Pumpgun/Flinte | 12/70 | 4-8 | 31,0 g (Brenneke Slug) | 2.865 J |
Beispiele für Dienstwaffen der Behördenseite
Typ | Kaliber | Patronen-Zahl | Geschoss-Gewicht (g) | Mündungs-Energie (Joule) |
---|---|---|---|---|
Pistolen P6, P7, P8 etc. | 9×19 | 8-15 | 8,0 g (Brenneke Slug) | 500 J |
HK MPi 5 | 9×19 | 30 | 8,0 g (Brenneke Slug) | 650 J |
Es hat sich an den Stationen am Nachmittag gezeigt, dass durch den routinemäßigen Einsatz von Laser-Lichtmodulen und die nach Einsatzlage ergänzende Verwendung der MP taktische Vorteile zurückgewonnen werden können. In Verbindung mit richtiger Bewegung und gegenseitiger Deckung münden diese in Überlegenheit des Interventionsteams. Das professionelle Zusammenspiel dieser Elemente im 2er-Team, besser aber im 4er-Team, führt mit hoher Wahrscheinlichkeit dann zu einem gewünschten, erfolgreichen Einsatzergebnis: das bewaffnete Gegenüber erkennt die Überlegenheit der polizeilichen Zugriffskräfte, akzeptiert die Ausweglosigkeit der eigenen Lage und gibt letztlich ohne Waffeneinsatz auf. Am frühen Abend war nach acht Stunden ein forderndes, erkenntnisreiches Trainingsseminar mit nachhaltigem Lernerfolg ohne jeden Zwischenfall beendet. Ecko Niebergall dankte allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern, besonders aber den Ausbildern und Beratern an den einzelnen Stationen, die einen interessanten, sehr wertvollen Trainingsworkshop gestaltet haben. Ecko Niebergall: „Unser PiD-Trainingsseminar im November, am Folgetag unserer Mitgliederversammlung, ist in den letzten Jahren zu einem Erfolgsprodukt in der zweiten Jahreshälfte geworden. PiD hat daher die feste Absicht, das November-Trainingsseminar auch im kommenden Jahr 2011 anzubieten.“
Gerhard Bahr (57), Diplom-Kaufmann, Diplom-Politologe, Berufssoldat der Bundeswehr im aktiven Dienst, 37 Dienstjahre, darunter mehrjährige Tätigkeiten bei der NATO in Brüssel, Brunssum, Rom und im früheren Jugoslawien.
Das PiD-Trainingsseminar wurde beraten und unterstützt von:
MK Technology GmbH
58513 Lüdenscheid
Anti Riot, Ballistik, Schutzprodukte
Jochen Heinbach Andreas Abeltshauser Manfred Grabinski
www.mktechnology.de
info@mktechnology.de
Rheinmetall Defense
78333 Stockach
Taktisches Licht, Nachtsicht- und Zielsysteme für taktische Dienstwaffen; Laser-Lichtmodule
Herr Wenderoth
www.rheinmetall-defence.com
info-rse@rheinmetall.com
Paulson International
65205 Wiesbaden
Digitale Nachtsichtbrillen für den taktischen Einsatz; Schutzausrüstungen
Herr Schebitz
www.paulson-international.com
info@paulson-international.com
BONOWI
55129 Mainz
Amok-Konzepte, Schutzschilde und -decken, taktische Einsatzmittel für den Behördendienst
Herr Bopp
www.bonowi-shop.de
info@bonowi-shop.de
Waffen-Brühl
65449 Limburg
Taktische und zivile Einsatzbekleidung 5.11, persönliche Ausrüstung 5.11
Roland Brühl
www.waffen-bruehl.de
info@waffen-bruehl.de